Update vom 09.07.2019: Mittleweile ist das Urteil bekannt und hier veröffentlicht.
Gestern wurden am Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in Saarbrücken in dem Fall von einem unserer Mandanten (Aktenzeichen Lv 7/17) mehrere technische Sachverständige angehört, die sich dazu äußerten, ob Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr durch die Speicherung sogenannter Rohmessdaten nachvollziehbarer und transparenter gestaltet werden können. In Presse und Rundfunk wurde bereits ausführlich berichtet (Spiegel Online, Saarländischer Rundfunk, Focus, n-tv). Teilweise wurde angedeutet bzw. diskutiert, ob Geschwindigkeitsmessungen grundsätzlich rechtswidrig sein könnten und deshalb die Sicherheit im Straßenverkehr nicht mehr gewährleistet werden könne. Das ist definitiv nicht der Fall und war nicht die Frage, mit der sich das Gericht befasst hat.
Die Tatsache, dass die meisten verwendeten Messgeräte hunderte oder tausende (Rohmess-)Daten von einem Fahrzeug erfassen und, nachdem sie daraus einen Geschwindigkeitswert errechnen, diese Daten löschen, wird seit Jahren, auch von unserer Kanzlei, kritisiert. Und das, obwohl es technisch – da war man sich in der Verhandlung einig – problemlos möglich wäre, diese Daten zu speichern und damit im Nachhinein die Geschwindigkeitsberechnung durch das Gerät nachzuvollziehen, wenn ein Mandant den ihm von der Bußgeldstelle vorgeworfenen Wert anzweifelt.
Der Sachverständige der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt wies auf die hohen Anforderungen hin, wenn ein Gerät für Messungen im Straßenverkehr zugelassen werden soll, so dass von weitgehender Fehlerfreiheit der Messungen ausgegangen werden könne. Zwei andere Sachverständige meinten hingegen, Fehler nie ganz auschließen zu können. Bei der Nachprüfung einer Messungen seien dann die Rohmessdaten hilfreich. Die vom Gesetzgeber vorgesehene und von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vorgeschlagene Möglichkeit, eine Befundprüfung an der Messanlage vorzunehmen, helfe nicht weiter, weil es sich dabei nur um eine Prüfung der Anlage im Nachhinein handele, welche die Messsituation nie ganz nachstellen könne. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Prof. Dr. Roland Rixecker, brachte dazu ein Beispiel: Wenn sein Computer abstürze, er kurz den Stecker ziehe und neustarte, könne daraus, dass der Computer anschließend wieder funktioniere, nicht darauf geschlossen werden, dass er zuvor ebenfalls ordnungsgemäß funktioniert habe.
Die von Sachverständigen zur Zeit diskutierte Problematik, dass bei Fahrzeugen mit LED-Licht Messfehler nicht ausgeschlossen sind, wurde in der Verhandlung ebenfalls angesprochen, allerdings nicht in Zusammenhang mit dem hier verwendete Messgerät Jenoptik TraffiStar S 350. Dies war lediglich ein Beispiel dafür, dass auch bei zugelassenen Geräten (konkret ging es dabei um das Messgerät ESO 3.0) Störungen denkbar sind, aber nur bei Zugriff auf die Rohmessdaten nachgewiesen werden können.
Ein Urteil des Gerichts ist gestern noch nicht ergangen. Es sollen zunächst die Ergebnisse der Verhandlung aus Sicht des Gerichts zusammengefasst und anschließend unserer Kanzlei Gelegenheit zur (schriftlichen) Stellungnahme gegeben werden. Mit einer Entscheidung ist innerhalb von drei Monaten zu rechnen. Der Gerichtspräsident hat allerdings keinen Zweifel daran gelassen, dass Autofahrer ein Recht haben, sich gegen den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung zur Wehr zu setzen. Dazu könnte eine technische Überprüfung aller Messdaten notwendig sein.
Sollte der Verfassungsgerichtshof die Speicherung der Rohmessdaten fordern, ist dies aber nicht als Ende der Geschwindigkeitsüberwachung zu verstehen. Bei den momentan verwendeten Geräten kann man davon ausgehen, dass diese durch entsprechende Einstellung oder ein Software-Update dazu gebracht werden können, die Daten dauerhaft abzuspeichern. Insoweit wären dann die Gerätehersteller am Zug.
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