Ergänzungen vom 18.07.2024, 22.07.2024 (mit Video) und 01.08.2024 siehe unten
In einigen Bundesländern erfreut sich das Messgerät LTI 20/20 TruSpeed wachsender Beliebtheit. Es handelt sich um ein amerikanisches Handlasermessgerät (gemeinhin auch als Laserpistole bezeichnet), welches von einer österreichischen Firma in Deutschland vertrieben wird. Eingesetzt wird es u. a. in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg; laut der Info von Kollegen jedoch z. B. auch in Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Der Hersteller verspricht, bis auf 600 Meter Entfernung zuverlässig die Geschwindigkeit von Fahrzeugen zu messen. Wenn Autofahrer die Kontrollstelle erkennen können, ist es deshalb oft schon zu spät.
Messabweichungen von 3 km/h nachgewiesen
Aktuell musste der Hersteller jedoch seine Kunden über Probleme mit dem Messgerät informieren. In einem Schreiben des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen heißt es, „dass es im Rahmen von (Vergleichs-) Messungen, unter Hinzuziehung eines Sachverständigen und der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB), zu Abweichungen bei der Geschwindigkeitsmessung (Abweichung von 3 km/h) gekommen ist.“ Die Ursache der Abweichungen werde gegenwärtig geprüft.
Weitere Informationen sind aktuell nicht bekannt. Unter welchen Voraussetzungen diese Abweichungen auftreten, ob das Messgerät insgesamt unzuverlässig ist sowie ob auch höhere Abweichungen als 3 km/h auftreten können, ist daher im Moment offen.
Geräte teilweise bereits stillgelegt
Als Konsequenz haben die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden die Weisung erhalten, Geräte dieses Typs „mit sofortiger Wirkung und bis aus weiteres nicht mehr für die repressive Geschwindigkeitsüberwachung einzusetzen.“ Was mit bereits laufenden Verfahren passieren soll, wird in dem Schreiben nicht beantwortet.
Wie die Behörden anderer Länder mit der Situation umgehen, ist ebenfalls noch unbekannt, dürfte aber in den nächsten Tagen und Wochen bekannt werden.
Auswirkungen für Betroffene
Betroffene, gegen die nach einer Messung mit diesem Gerät ein Bußgeldverfahren eingeleitet wurde, müssen nun entscheiden, ob sie sich gegen die Messung bzw. den Bußgeldbescheid wehren. Dies gilt vor allem dann, wenn Punkte oder sogar ein Fahrverbot drohen bzw. wenn ihnen die vorgeworfene Geschwindigkeit überhöht vorkommt. Ob eines der betroffenen Geräte verwendet wurde, wird oft direkt im Bußgeldbescheid angegeben, kann aber spätestens im Rahmen einer Akteneinsicht geprüft werden.
Wer einen Bußgeldbescheid erhält, sollte aber nicht erst abwarten, was die weiteren Prüfungen ergeben. Denn es muss binnen zwei Wochen Einspruch eingelegt werden, ansonsten wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig und kann später nicht oder kaum mehr angegriffen werden. Sollten die ausstehenden Tests länger dauern, besteht die Möglichkeit, dass die Bußgeldbehörden oder Gerichte laufende Verfahren einfach einstellen, wie es vor ein paar Jahren bei Leivtec XV3 praktiziert wurde. Dies entscheidet allerdings jede Behörde bzw. jedes Gericht im Einzelfall.
Ergänzung vom 18.07.2024
Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen hat hierzu mittlerweile eine Pressemitteilung veröffentlicht. Außerdem berichten unter anderem Spiegel online, Bild.de sowie auto-motor-und-sport.de über die Thematik.
Laut ADAC haben neben Nordrhein-Westfalen auch die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz Messungen mit den betroffenen Geräten ausgesetzt. In Hessen sollen laufende Verfahren eingestellt werden. Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wollen diese jedoch derzeit weiterverwenden. Die PTB hat Auskünfte zu den mit dem Gerät vorgenommenen Tests unter Hinweis auf Verschwiegenheitsverpflichtungen bislang verweigert.
Ergänzung vom 22.07.2024
Sachverständige der Unfallanalyse Berlin GbR konnten nun beim Anvisieren und Schwenken über einen stehenden Vorwegweiser mit dem LTI 20/20 TruSpeed sogar Messwerte zwischen 4 und 6 km/h erzeugen. Dies spricht dafür, dass das Messgerät unter bestimmten Voraussetzungen nicht einmal die Verkehrsfehlergrenze von 3 km/h bzw. 3 % einhält.
Ergänzung vom 01.08.2024
Zwischenzeitlich haben Dr.-Ing. Sebastian Smykowski und Dipl.-Ing. Prof. Dr. Jochen Buck, welche an den genannten Messversuchen mit dem LTI 20/20 TruSpeed beteiligt waren, einen ersten Beitrag hierzu in der Neuen Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) veröffentlicht. Danach sei es „bei einigen wenigen von mehreren hundert Messungen, bei größeren Entfernungen“ zu den Abweichungen gekommen. Bei einem stehenden Fahrzeug wurden 3 km/h gemessen. Grund hierfür sei, dass durch natürliche Zitterbewegungen der menschlichen Hand der Laserstrahlt nicht an der gleichen Stelle aufgetroffen, sondern über die Fahrzeugfront gewandert sei. Besondere Schwenkbewegungen mit dem Gerät seien hierfür gar nicht erforderlich gewesen. Das beobachtete Verhalten könne nicht durch die sog. Verkehrsfehlergrenze (Toleranz) abgedeckt werden.