Das Messsystem PoliScan Speed stand in den letzten Wochen und Monaten vermehrt in der Kritik. Auffälligkeiten bei der Auswertung der Messergebnisse führten bei mehreren Gerichten zu Freisprüchen von gemessenen Autofahrern bzw. Verfahrenseinstellungen (Amtsgericht Mannheim, Amtsgericht Hoyerswerda, Amtsgericht Weinheim, Amtsgericht Schwetzingen). Für andere Gerichte waren die Auffälligkeiten bzw. Abweichungen irrelevant oder nicht deutlich genug.
Eine Überraschung diesbezüglich brachte die kürzliche Überprüfung der Messung eines Mandanten, der am 03.09.2016 bei Mannheim die A6 (km 569,500) Richtung Heilbronn befuhr. Dort gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h. Das (selbe) Messgerät PoliScan Speed PS-629690, das bereits seit der Einstellung eines anderen Verfahrens durch das Amtsgericht Mannheim zweifelhafte Bekanntheit erfahren hat, errechnete eine Geschwindigkeit des Mandanten von 170 km/h. Nach dem (üblichen) Toleranzabzug von 3 % verblieb noch ein Wert von 164 km/h. Daher erließ die Zentrale Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h einen Bußgeldbescheid: 160 EUR Geldbuße, 1 Monat Fahrverbot, was außerdem zu 2 Punkten führt.
Die GFU Gesellschaft für Unfall- und Schadenforschung wurde mit der Auswertung der Geschwindigkeitsmessung beauftragt. Eine erneute Ausrechnung der gefahrenen Geschwindigkeit (mittels Länge der Messstrecke und benötigter Zeit, um diese Strecke zurückzulegen) führte zum Ergebnis, dass der Betroffene nur 159 km/h gefahren sein kann!
Legt man dieses Ergebnis zugrunde, müsste das Bußgeld auf 120 EUR und die Punkte auf 1 reduziert werden, das Fahrverbot müsste entfallen. Eine solche Abweichung ist höchst ungewöhnlich. Bei den bisher überprüften Messungen hat die Abweichung der Geschwindigkeitswerte oft nur 1 – 2 km/h betragen, in Ausnahmefällen bis zu 5 km/h. Was nun zu diesen hohen Abweichung geführt hat (Defekt o. ä.), kann momentan nicht beantwortet werden, da noch nicht alle Wartungsunterlagen des Messgeräts vorliegen.
Im Übrigen ergab sich, dass an diesem Tag 520 Fahrzeuge als zu schnell gemessen wurden. Davon hat das Messgerät 305 Fahrzeuge in einem Abstand über 50 Meter oder unter 20 Meter gemessen, obwohl dies laut der Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt nicht vorkommen dürfte. Außerdem haben sich bei 10 weiteren Fahrzeugen hohe Geschwindigkeitsabweichungen von 5 bzw. 6 km/h zu Lasten der Betroffenen ergeben.
Abzuwarten bleibt, wie das zuständige Gericht nun in der Sache entscheiden wird. Jedenfalls kann nach diesem Gutachten nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei anderen Fahrzeugführern, die mit einer PoliScan Speed-Messanlage gemessen worden sind, in Bußgeldverfahren zu hohe Geschwindigkeiten zu Grunde gelegt werden, besonders dann, wenn es sich wie vorliegend um das Gerät mit der Nummer PS-629690 aus Baden-Württemberg handelt (je nach Behörde ist das verwendete Messgerät im Anhörungsschreiben/Bußgeldbescheid unter dem Punkt Beweismittel zu finden). Betroffenen kann daher der Gang zum Rechtsanwalt empfohlen werden.
Fahrzeugführer, die mit einer PoliScan Speed-Messanlage gemessen worden sind, sollten daher unbedingt den Rechtsanwalt beauftragen, der dann nach erfolgter Akteneinsicht die weiteren Schritte veranlassen wird, Gerald Assner.
Dies setzt natürlich voraus, dass die Verwaltungsbehörde nicht nach eigenem Ermessen die Aktenbestandteile selektiert …