Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hat ein Bußgeldverfahren, das gegen einen Mandanten von uns geführt wurde, überprüft und dabei mehrere Datenschutzverstöße durch die Bußgeldbehörde festgestellt. Einer der Verstöße bestand in der automatisierten Abfrage des so genannten Fahrerlaubnisregisters (FAER). Im Fahrerlaubnisregister sind unter anderem die Daten von Verstößen einer Person im Straßenverkehr, etwa durch überhöhte Geschwindigkeit, für eine bestimmte Zeit enthalten. Geführt wird das Register vom Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg.
Üblicherweise fragen Bußgeldbehörden das Fahrerlaubnisregister standardmäßig ab, wenn sie ein Verfahren gegen eine bestimmte Person führen. Da Bußgelder häufig erhöht werden, wenn die Person schon in der Vergangenheit mit Verstößen im Straßenverkehr aufgefallen ist, muss die Bußgeldstelle wissen, ob der Betroffene eine „weiße Weste“ hat oder nicht.
Problematisch ist, wenn die Abfrage zu früh vorgenommen wird: Bei einem „Blitzerfoto“ prüft die Bußgeldstelle üblicherweise zunächst, wer der Halter des fotografierten Fahrzeugs ist und verschickt an ihn einen Anhörungsbogen. Zu diesem Zeitpunkt ist aber noch unklar, ob der angehörte Fahrzeughalter überhaupt der Fahrer war. Deshalb muss die Bußgeldstelle (noch) nicht wissen, ob er Punkte in Flensburg hat. Die Anforderung dieser Daten ist also noch nicht „erforderlich“, wie es in § 30 Absatz 1 Nummer 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) heißt und damit datenschutzrechtlich unzulässig. Dennoch wurde sie bei unserem Mandanten zu diesem frühen Zeitpunkt vorgenommen. Der Verstoß wird auch nicht dadurch „geheilt“, dass zu einem späteren Zeitpunkt feststeht, dass er das Fahrzeug gefahren hat und zu schnell war.
Hierzu heißt es in dem Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz vom 22.02.2021:
Zu Ihrer Information darf ich Sie darauf hinweisen, dass u. a auch der hier vorliegende Sachverhalt Anlass war, den automatisierten Abfrageprozess durch die ZBS zu Eintragungen im Fahrerlaubnisregister (FAER) gegenüber dem Ministerium des Innern und für Sport zu beanstanden. Eine Abfrage lässt sich nicht mit der Verpflichtung der Verfolgungsbehörde zu weitergehenden Ermittlungen begründen für den Fall, dass eine an den Fahrzeughalter versandte Anhörung nicht in Rücklauf gekommen ist. Eine solche Anfrage ist nicht geeignet, zum Ermittlungsziel, nämlich der Feststellung der Identität des Fahrzeugführers zum Tatzeitpunkt, beizutragen. Der zuvor automatisierte Abfrageprozess, der damit auch bei Personen durchgeführt wurde, die zum Zeitpunkt der Abfrage nicht als Fahrer feststanden und damit nicht erforderlich war, wird nun manuell durch die Sachbearbeiterin oder den Sachbearbeiter nach den gesetzlichen Vorgaben angestoßen.
Bei der gerügten Vorgehensweise der Bußgeldstelle handelt es sich keinesfalls um eine Ausnahme oder einen Einzelfall. Wir haben zunächst stichprobenartig einige unserer Bußgeldverfahren in Rheinland-Pfalz geprüft und dabei festgestellt, dass es in der überwiegenden Mehrzahl der Verfahren zu ähnlichen Datenschutzverstößen gekommen ist: Daten wurden zeitgleich oder unmittelbar nach Versendung des Anhörungsbogens aus dem Fahreignungsregister angefordert, obwohl auch in diesen Fällen noch nicht klar war, wer überhaupt gefahren ist. Ähnlich sind in anderen unserer Verfahren unter anderem Bußgeldbehörden im Saarland, Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen vorgegangen. Das bedeutet: Wird in Deutschland ein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit „geblitzt“, besteht derzeit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass von dem Halter des Fahrzeugs in unzulässiger Weise Daten beigezogen werden.
Nach der Entscheidung des rheinland-pfälzischen Landesdatenschutzbeauftragten haben wir vergleichbare Fälle auch den Datenschutzbeauftragten anderer Bundesländer zur Prüfung vorgelegt.
Wichtig ist dann noch die Frage, wie sich der Datenschutzverstoß auf das Bußgeld und ggf. sogar das Fahrverbot auswirkt. Eine einheitliche Regelung hierfür existiert leider nicht. Während einige Gerichte trotz vergleichbarer Datenschutzverstöße durch die am Bußgeldbescheid festhalten, wurden beispielsweise beim Amtsgericht Landstuhl in der Vergangenheit mehrfach Bußgeldverfahren eingestellt. Ähnlich sind Richter beim Amtsgericht Schleswig und dem Amtsgericht Wittlich vorgegangen. Welche Folgen die jetzt festgestellten Verstöße konkret haben werden, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Das Amtsgericht Bad Kreuznach als eines der ersten mit der Problematik befassten Gerichte hat ein Bußgeld auf „punktefreie“ 55 Euro reduziert (Urteil vom 08.03.2021 – 47 OWi 1044 Js 15488/20).