Fahranfänger müssen bekanntlich in besonderer Weise auf die Einhaltung von Verkehrsvorschriften achten, denn mit dem erstmaligen Erwerb einer Fahrerlaubnis beginnt für sie eine zweijährige Probezeit. In dieser Zeit kann es bereits bei einem ersten, ggf. auch geringfügigen Verstoß zu schwerwiegenden Konsequenzen kommen, so dass eine Verteidigung gegen den jeweiligen Vorwurf meist sinnvoll ist. Nach unserer Erfahrung berücksichtigen Gerichte vielfach die besondere Härte bei Bußgeldbescheiden während der Probezeit und man hat mit einem Einspruch deshalb überdurchschnittlich oft Erfolg.
Zuwiderhandlungen während der Probezeit
Unterschieden wird zwischen schwerwiegenden Zuwiderhandlungen und weniger schwerwiegenden Zuwiderhandlungen. Wie ein bestimmter Verstoß gewertet wird, muss jeweils nach den Kriterien der Fahrerlaubnisverordnung geprüft werden. Viele der im Straßenverkehr relevanten Verstöße gelten als schwerwiegend: unter anderem Geschwindigkeits-, Abstands- und Vorfahrtsverstöße, das Überfahren einer roten Ampel und die Benutzung eines Handys bzw. anderer elektronischer Geräte, sofern der Verstoß mit einem oder mehreren Punkten im Fahreignungsregister (Flensburg) belegt wird. Bezüglich Geschwindigkeit ist dies beispielsweise schon ab einer Überschreitung um 21 km/h, in Einzelfällen sogar ab 16 km/h der Fall. Ferner kommt es, abhängig davon, wie viele Verstöße begangen wurden, zu verschiedenen Maßnahmen gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis:
- Stufe 1: Bereits bei der ersten schwerwiegenden (oder zwei weniger schwerwiegenden) Zuwiderhandlung(en) wird ein Aufbauseminar angeordnet, welches unabhängig von der Geldbuße zu weiteren Kosten von bis zu 500 Euro führt. Zudem wird die Probezeit von zwei auf vier Jahre verlängert.
- Stufe 2: Ein weiterer schwerwiegender Verstoß (oder zwei weitere weniger schwerwiegende Verstöße) innerhalb der Probezeit führen zu einer schriftlichen Verwarnung und der Empfehlung, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Weitere Konsequenzen erfolgen zunächst nicht.
- Stufe 3: Kommt es nach Ablauf der Frist von zwei Monaten (Stufe 2) zu einem weiteren schwerwiegenden Verstoß (oder zwei weiteren weniger schwerwiegende Verstößen) innerhalb der Probezeit, wird die Fahrerlaubnis entzogen.
Da bereits ein erster, wenn auch für sich genommen geringfügiger Verkehrsverstoß zu den genannten Probezeitmaßnahmen führen kann, ist es dementsprechend wichtig, rechtzeitig die Möglichkeiten eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid prüfen zu lassen. Ob ein Verstoß zeitlich gesehen in die Probezeit fällt, hängt im Übrigen davon ab, wann er begangen wurde, auch wenn der Bußgeldbescheid erst nach Ablauf der Probezeit ergeht oder rechtskräftig wird. Ein bloßer Zeitgewinn ersetzt dementsprechend eine qualifizierte Verteidigung nicht.
Verteidigungsmöglichkeiten
In einem ersten Schritt unterscheidet sich die anwaltliche Verteidigung gegen einen Bußgeldvorwurf in der Probezeit nicht von Fällen außerhalb der Probezeit: Es muss anhand der Akte geprüft werden, ob der Vorwurf zutrifft und nachgewiesen werden kann. Bei Geschwindigkeitsmessungen ist beispielsweise zu prüfen, ob das Messfoto für eine Identifizierung des Fahrers genügt sowie ob die Messung selbst ordnungsgemäß erfolgte und auch ordnungsgemäß dokumentiert wurde. Können hier Fehler oder Ungenauigkeiten nachgewiesen werden, besteht schon dadurch die Möglichkeit, das Verfahren zu einer Einstellung zu bringen.
Darüber hinaus bestehen aber häufig weitere Möglichkeiten, die Problematik mit der Probezeit zu vermeiden:
- Viele Gerichte sind bei geringfügigen Verkehrsverstößen von Personen in der Probezeit bereit, das Bußgeld so zu reduzieren (unter 60 Euro), weil es dann keinen Punkt gibt. Dies hängt im Einzelfall von der Schwere des Verstoßes (z. B. Höhe der Geschwindigkeit ab), aber auch davon, ob mildernde Umstände bestehen und nicht zuletzt von der Person des Richters. Auf die Bußgeldreduzierung besteht kein Anspruch; sie ist stark von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Bei den saarländischen Gerichten konnte diese Möglichkeit bei leichteren Verstößen (bis 25 km/h, in Einzelfällen sogar bis 28 km/h) von unserer Kanzlei in den meisten Fällen erreicht werden.
- Bei etwas schwereren Verstößen, etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 26 km/h (oder gar mehr als 30 km/h) ist eine solche Bußgeldreduzierung seltener möglich. Alternativ kann gegenüber dem Gericht angeregt werden, das Verfahren gegen die Erfüllung einer Auflage einzustellen. Hier ist verschiedenes denkbar, etwa die Ableistung gemeinnütziger Arbeit für einige Stunden oder eines Fahrsicherheitstrainings. Nach Erfüllung der Auflage wird das Verfahren eingestellt, so dass kein Punkt eingetragen wird und auch kein Bußgeld mehr gezahlt werden muss. Ein Anspruch hierauf besteht jedoch ebenfalls nicht.
- Als schwerste Verstöße kommen insoweit solche in Betracht, bei denen sogar ein Fahrverbot verhängt wird, etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 30 km/h innerorts oder mehr als 40 km/h außerorts. Hier sind entsprechende Verteidigungen deutlich schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Es muss von Seiten des Anwalts umso sauberer argumentiert und mögliche mildernde Umstände aufgezeigt werden. Auf den verkehrserzieherischen Effekt eines Fahrverbots wollen die Gerichte bei groben Zuwiderhandlungen meist nicht verzichten. Deshalb wurde von unserer Kanzlei folgende Methode „entwickelt“: Zum einen erfüllt der Fahrerlaubnisinhaber vom Gericht festgelegte, im vorherigen näher beschriebene Auflagen, etwa gemeinnützige Arbeit. Eine weitere Auflage ergeht dahingehend, dass während des laufenden Bußgeldverfahrens der Führerschein für einen Monat zur Gerichtsakte gegeben wird; die Person absolviert also ein „freiwilliges Fahrverbot“. Nach Erfüllung aller Auflagen wird das Verfahren, wie im vorherigen Punkt ausgeführt, eingestellt.
- Auf diese Weise konnten wir sogar im Fall einer besonders hohen Geschwindigkeitsüberschreitung (151 km/h bei erlaubten 100 km/h auf einer Autobahn) verhindern, dass es zu den genannten Problemen auf Grund der Probezeit kommt.
Gute Erfahrungen mit der Einstellung von Verfahren gegen Auflagen
Verfahrenseinstellungen gegen Auflagen werden häufig in Strafverfahren, vor allem gegen Jugendliche, angewendet. Bei Ordnungswidrigkeiten ist diese Möglichkeit – auch bei Gerichten – häufig nicht bekannt, vom Gesetz her aber möglich. Aus diesem Grund regen wir dies in entsprechenden Fällen ausdrücklich an. Viele Richter zeigen sich bei entsprechendem anwaltlichem Vortrag hierfür offen. Im Saarland möchten die Gerichte häufig, dass betroffene Fahranfänger an einem Fahrsicherheitstraining teilnehmen, was gerade bei Fahranfängern und unabhängig von begangenen Verkehrsverstößen sinnvoll ist. Wenn es zu der Auflage einer gemeinnützigen Arbeit kommt, kommen vielfältige Möglichkeiten, ggf. auch unter Berücksichtigung des Wohnorts des jeweiligen Betroffenen und seiner persönlichen Interessen, in Betracht: In der Vergangenheit waren dies bei uns etwa Tätigkeiten in einem Pflegeheim oder im Krankenhaus, für die Gemeinde, in einem Kloster oder auch Mithilfe bei Kinderfreizeiten/Ferienlagern.